Leben in Quarantäne: Zwischen Angst und Hoffnung

Milena, eines der Mitglieder unseres MH-Herausgeberteams, teilt ihre Erfahrungen im täglichen Kampf gegen die Corona-Pandemie, die sich immer mehr zu unserem schlimmsten Alptraum entwickelt. Sie ist Italienerin, europäische Mitbürgerin und ihre Geschichte spiegelt wider, was wir alle in dieser schwierigen Zeit erleben. Oder mit ihren Worten: “Wir stecken da alle zusammen drin.”

Ganz Italien steht wegen der aktuellen Corona-Pandemie seit dem neunten März unter Quarantäne. Anfangs begriffen wir nicht die Dringlichkeit, mit der uns die Regierung aufforderte, zuhause zu bleiben. Wir gingen weiter shoppen, manche gingen abends mit ihren Freunden aus, Gruppen von jungen Leuten trafen sich in Parks, um die ersten warmen Frühlingstage zu genießen. Aber die Zahl der Infizierten stieg, die Zahl der Toten begann, uns Angst zu machen und die Berichte von den Intensivstationen machten uns klar, dass es sich um etwas Ernstes handelte.

Von Milena Parotti / 21.3.2020

Photographer: Kaitlyn Baker // unsplash.com

“Zuhause bleiben” wurde zum Gebot der Stunde, die Antwort auf alle Fragen. Es ist beängstigend, es ist nervig, es ist frustrierend – wir hatten Pläne, wie alle anderen auch. Ich hatte schon das ganze Jahr 2020 durchgeplant: Prüfungen, ein Auslandspraktikum, Abschlussarbeit, Studienabschluss. Mit einem Mal war alles zerstört. Ich fühlte mich machtlos, ich dachte die ganze Zeit: “Das ist nicht fair.” Ich brauchte einen oder zwei Tage, um mich selbst zu überzeugen, dass ich diese Pläne auf Eis legen musste; im Moment musste ich schlicht aufgeben und ein neues Leben beginnen: das Leben in Quarantäne.

Wut und Frustration wichen bald Hoffnung. Ich hatte Glück gehabt: Ärzte und Krankenpfleger arbeiten gerade rund um die Uhr, riskieren ihre eigene Gesundheit, um anderen das Leben zu retten. Sie sind die wahren Helden der Stunde. Weder habe ich einen Laden, der schließen musste, noch bin ich eine Mutter, die sich zuhause um ihre Kinder kümmern muss, während sie weiterhin arbeitet. Ich habe keine Großeltern, deren Leben gefährdet wäre. Alles, was ich tun muss, ist zuhause bleiben. Und das ist wohl nicht so schlimm!

Die Medien und sozialen Netzwerke bombardieren uns gerade mit Zahlen und Daten und obwohl ich mich ständig mit diesem Thema beschäftige, habe ich mich mit dem Leben zuhause arrangiert.

Die Technik ist mein bester Freund; ich würde nicht ohne das Internet überleben, wie ich zugeben muss. Nicht nur kann ich weiterhin lernen, mich auf Prüfungen vorbereiten und meine Abschlussarbeit schreiben, sondern auch zahllose andere Dinge mit meinem Smartphone oder Computer tun! Wir alle wissen, wie einfach es ist, Zeit auf Netflix zu verbringen, aber das ist nicht alles. Wir haben all die Podcasts, Webinare, MOOCs, virtuellen Museen, Ebooks … Außerdem nutze ich diese Auszeit, um die langweiligen Aufgaben in Angriff zu nehmen, vor denen ich mich sonst immer drücke, etwa Putzen oder meine Dateien und Mails organisieren. Und natürlich habe ich auch mehr auf Meeting Halfway gearbeitet als sonst!

Photographer: Samantha Gades // unsplash.com

Zuhause bleiben bedeutet allerdings nicht, den ganzen Tag mit Technik zu verbringen. Ich habe das Haus aufgeräumt. Ich lese endlich all die Bücher, die ich immer kaufe und nie lese, ich spiele mehr mit meinem Hund (und glücklicherweise habe ich dank ihm eine Ausrede, jeden Tag einen kurzen Spaziergang zu machen) und ich spiele wieder Karten mit meiner Familie, was wirklich Spaß macht.

Es ist schwierig, positiv zu bleiben, die Hoffnung nicht zu verlieren, ewig auf bessere Zeit zu warten. Daran gewöhnt man sich nie, besonders, wenn man jemanden vermisst, den man nicht sehen kann oder wenn man keine Pläne für die Zukunft machen kann. Aber zuhause zu bleiben ist der einzige Weg, diesen unsichtbaren Feind aufzuhalten. Deshalb möchte ich eine Botschaft an all unsere Leser in Europa senden: Bleibt zuhause, trefft euch nicht mit Freunden, auch wenn eure Regierung das noch erlaubt! Wascht eure Hände, fasst euch nicht ins Gesicht, haltet Abstand von anderen Leuten.

Wir stecken da alle zusammen drin, wir werden es überstehen.

Autorin

Milena Parotti (Italy)

Studium: Öffentliche und politische Kommunikation

Sprachen: Italienisch, Englisch, Französisch, Deutsch

Europa ist… eine große Familie, in der Unterschiede Stärken sind.

Übersetzer

Birger Niehaus (Deutschland)

Studium: Deutsch / Skandinavistik

Sprachen: Deutsch, Englisch, Schwedisch, ein bisschen Isländisch und Finnisch

Europa ist … dieses Fleckchen zwischen Alaska und Västerås.

Blog: anseranser.blog

Author: alessandra

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