Die Proteste in der Ukraine: Was bis jetzt passierte

Nach Wochen, gar Monaten des Protests, ist es schwer, den Überblick darüber zu behalten, was bis jetzt in der Ukraine passiert ist. Das MH-Team hat die wichtigsten Ereignisse bis heute zusammengefasst.

Es ist nicht schwer zu bemerken, wie die Nachrichten und Bilder aus der Ukraine täglich düsterer werden: mindestens 4 Menschen wurden in Zusammenstößen mit der Polizei getötet, viele andere wurden gefoltert, entführt oder geschlagen. Was letzten November als friedliche Pro-EU-Demonstration in der Hauptstadt der Ukraine begann, hat sich in den letzten zwei Wochen zu in einem angespannten, landesweiten Konflikt zwischen den Protestanten und dem Staat entwickelt.

Ein kleiner Bereich im Zentrum Kiews hat sich in ein richtiges Schlachtfeld verwandelt. Präsident Victor Yanukovych und die Regierung scheitern nicht nur daran, die Situation im Land unter Kontrolle zu bringen, sondern reagieren auch nur langsam und unwillig auf die Forderungen der Demonstranten, auch nachdem die Proteste niedergelegt wurden. Als Resultat haben sich die Proteste auch über Kiew hinaus ausgeweitet, mit Tausenden von Menschen, die Regierungsgebäude besetzten, den Rücktritt des Präsidenten und Amnestie für inhaftierte Protestanten forderten.

Der Aufstand brach im Spätherbst aus, als der Präsident die Unterschrift einer Gesellschaftsvereinbarung mit der EU verweigerte, die einen Handelsvertrag mit Russland über 15 Milliarden Dollar Rettungshilfe fixieren sollte. Für das Land, in dem mehr als die Hälfte der Einwohner die EU-Integration unterstützen, war das ein klarer und endgültgier außenpolitischer Richtungswechsel der Regierung. Am nächsten Tag verwandelte sich der Unabhängigkeitsplatz in Kiew zum Hauptzentrum dessen, was als der größte Massenprotest seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004 bezeichnet werden kann. Menschen aus Kiew und anderen Regionen der Ukraine strömten in das Zentrum der Hauptstadt und verwandelten es in die Basis der Revolution, mit Zeltlagern und Feldküchen, alle um den Maidan (den Unabhängigkeitsplatz). Die Protestanten einigten sich darauf, parteipolitische Symbole zu vermeiden, dennoch werden sie von den Parteichefs der drei Hauptoppositionsparteien unterstützt, welche die Proteste vertreten: Arseniy Yatsenyuk, Chef der größten Oppositionspartei “Vaterland”, die von Yulia Tymoshenko, der verhafteten, früheren Premierministern, angeführt wurde; der ehemalige Boxchampion und Politiker Vitali Klitschko (Partei “Udar”); und Nationalistenanführer Oleg Tyahnybok (Partei “Svoboda”).

Es wurde viele Male von der Opposition verkündet, dass die Demonstrationen friedlich verlaufen müssen, obwohl es zahlreiche Versuche gab, Gewaltszenen mit  jungen athletischen Männern zu provozieren, die, so behaupten die Menschen am EuroMaidan, von der Regierung unterstützt wurden. Auch nachdem Protestanten, die meisten von ihnen waren Studenten, von Ukraines elitärer Bereitschaftspolizei “Berkut” auf abscheuliche Weise verprügelt wurden, waren das Einzige, was sich am EuroMaiden änderte, die Blockaden der Protestanten durch Straßenbarrikaden. Für fast zwei Monate campierten die Menschen in Kiew und die Regierung blieb weiterhin stumm.

Am 18. Januar verschärfte sich die Situation, als ukrainisiche Beamte das neue Anti-Protest-Gesetz vorstellten, mit dem Ziel, Anti-Regierungsdemonstrationen einzuschränken. Die Reaktion der Protestanten erfolgte unmittelbar. Und dieses Mal eskalierte die Unzufriedenheit der Massen in Gewaltakten, als eine Gruppe junger Menschen – angeblich junge radikale Aktivisten – die Bereitschaftspolizei mit Benzinbomben und Steinen bewarf. Mindestens vier Menschen sollen in Feuergefechten umgekommen sein, dutzende Protestanten und Journalisten wurden mit Plastikgeschossen und Schlagstöcken verletzt. Auch Protestanten in Krankenhäusern wurden von Polizisten verfolgt und aus ihren Betten verschleppt. Am wohl verstörendsten war der Beweis über die Polizeigewalt, als ein Video im Internet auftauchte, dass Mitglieder von Berkrut zeigte, die einen nackten Protestanten bei Temperaturen unter null Grad misshandelten.

Obendrein erhielten all jene Menschen, die sich in der Nähe der Kämpfe befanden, in dieser Nacht eine Nachricht, die besagte: “Lieber Teilnehmer, du bist als Akteur in Massenaufständen registriert.”

All diese Ereignisse riefen eine Welle an Unruhen in anderen ukrainischen Städten hervor, die sich vom Westen sogar bis in russisch-beeinflusste östliche Regionen ausbreiteten, die sich bis jetzt zurückgehalten hatten.

Erst nachdem sich die Proteste landesweit ausgebreitet hatten, nahm Präsient Yanukovych Gespräche mit EuroMaidan auf. Nachdem die Oppositionsführer ein Angebot an Spitzenregierungsposten des Präsidenten ausschlugen, wurde das Anti-Protest-Gesetz von der Regierung aufgehoben und Premierminister Mykola Azarov trat zurück. Sein Platz wurde allerdings unverzüglich von Serhiy Arbuzov besetzt, dem nachgesagt wird, der Familie des Präsidenten nahe zu stehen.

In der letzten Parlamentsdiskussion stimmten die Abgeordneten für ein neues Amnestiegesetz, das in Kraft tritt, sofern die Protestanten die Barrikaden aufheben und die Straße und Plätze im ganzen Land wieder freigeben, ausgeschlossen jener Bereichen, wo die Proteste friedlich verlaufen. Außerdem werden durch das Gesetz nur jene Protestanten aus dem Gefängnis entlassen, die an friedlichen Demonstrationen teilgenommen haben.

Dieses Teilzugeständnis scheint dennoch EuroMaidan nicht zufrieden zu stellen. Vielmehr versprachen die Menschen weiterhin zu campieren und die Belagerung administrativer Gebäude fortzusetzen, bis alle Protestanten aus den Gefängnissen freigelassen werden, Regierungsbeamte für die Gewalttaten der Polizei zur Verantwortung gezogen werden und der Präsident zurücktritt.

[crp]

Autorin

Yuliya Bodnar

Autorin

Mariana de Araújo

Photo

Julia Wegner

Übersetzung

Barbara Konturek (Österreich)

Studium: Journalism, Media and Globalisation (Erasmus Mundus Master’s)

Sprachen: Deutsch, Englisch, etwas Dänisch

Europa ist… wo ich wohne, was ich liebe.

Korrektur

Luzie Gerb (Deutschland)

Studium: Kunstgeschichte, Kunsterziehung und Vergleichende Kulturwissenschaft

Sprachen: Deutsch, Englisch, Schwedisch, Französisch

Europa ist… voller magischer Orte, interessanter Menschen und ihren Geschichten.

 

Author: Anja

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