Für Europa auf die Straße gehen – ein Gespräch mit einem überzeugten Europäer

Kundgebungen von rechten Populisten und anti-EU Demonstrationen sind seit einiger Zeit in ganz Europa an der Tagesordnung. Pro-europäische und liberale Bewegungen werden jedoch meist erst dann laut, wenn gerade mal wieder eine Wahl zugunsten von Nationalisten und Populisten entschieden wurde. Doch Pulse of Europe will das ändern, und gibt den Fans eines vereinten Europas eine Stimme. Wir haben mit Akilnathan Logeswaran gesprochen, der seit Februar in München für die EU auf die Straße geht.

Interview: Anja Meunier / 28.4.2017

Akil ist 28 Jahre alt und ein waschechtes Münchner Kindl. Studium in Augsburg und Wien, später Jobs in Kopenhagen, Wien, Warschau und München, ein Europäer durch und durch. Seit Februar ist er ein bekanntes Gesicht auf den Pulse of Europe Demonstrationen in München und setzt sich für den Erhalt der Europäischen Union ein.

Akilnathan Logeswaran bei Pulse of Europe München © Anja Meunier

Meeting Halfway: Warum demonstrierst du für die EU, warum gehst du für Europa auf die Straße?

Akil: Früher war mir Europa schon immer sehr wichtig, aber ich hatte nie den Bedarf, auf die Straße zu gehen, das Gefühl war irgendwie nicht da. Jetzt habe ich gemerkt, dass das eben alles doch nicht so selbstverständlich ist und dass man sich wirklich für seine Rechte einsetzen muss. Das finde ich wichtig. Dadurch dass ich auf die Straße gehe und offen die EU Flagge zeige, komme ich auch mit viel mehr Leuten ins Gespräch. Nicht nur auf Facebook, wo man die Leute sowieso meistens kennt, sondern eben ganz außerhalb seiner Comefort Zone. Mir ist wichtig, dass man sich da wirklich mit den Leuten verständigt.

MH: Kommen auch viele deiner Freunde zu der Demo?

Akil: Es kommen immer mehr, beim allerersten Mal war ich ganz alleine und da gab’s leider nicht so viele junge Leute. Das hatte aber auch den Vorteil, dass wir alle, die ein bisschen jünger waren, uns zusammen getroffen haben und gesagt haben, irgendwie müssen wir mehr unsere Freunde einladen. Wir treffen uns auch jeden Sonntag nach der Demo, um weiter zu diskutieren und Sachen zu planen, und freunden uns immer mehr an. Ich versuche immer Freunde aus verschiedenen Freundeskreisen einzuladen. Ich finde es wichtig, dass das wirklich in alle Gebiete der Stadt und in alle verschiedenen Gesellschaftsschichten vordringt, dass man darüber spricht, und dass jeder weiß, was Europa ist, oder wofür die Europäische Union steht.

MH: Man hört ja oft den Vorwurf, die Jugend sei unpolitisch. Siehst du das auch so?

Akil: Sehe ich überhaupt nicht so, ich würde sogar sagen im Gegenteil, die Jugend ist sehr politisch. Ich glaube, dass dieses Gerücht, dass die Jugend unpolitisch ist, daher kommt, dass die Jüngeren öfter nicht zur Wahl gehen. Das ist aber für mich kein unpolitisches Statement, sondern es gibt sehr viele, die bewusst nicht zur Wahl gehen, weil sie sagen, die Politiker repräsentieren sie nicht. Ich glaube, dass das sehr wohl ein sehr starkes politisches Statement ist und ich glaube dass uns das zu denken geben sollte und dass Politiker daran arbeiten sollten. Wir müssen den jungen Menschen mehr zuhören und sie vielleicht auch ein bisschen auffordern, das Geschehen mitzugestalten.

Pulse of Europe Demonstration in München © Anja Meunier

MH: Einige Leute finden ja, dass EU Befürworter alles schönreden, und so tun, als ob man sich nur liebhaben müsse, dann würde schon alles gut. Aber es gibt ja auch ganz konkrete Tatsachen, die für die EU sprechen. Was ist für dich die größte Errungenschaft der EU?

Akil: Die größte Errungenschaft der EU ist mit Sicherheit, dass man innerhalb des Schengen-Raums die Grenzen abgebaut hat. Wir haben die Freiheit von Menschen, von Produkten und von Services, das ist ein unfassbarer Gewinn für die 500 Millionen Menschen, die in der EU leben. Ohne diese Freiheiten kann man es sich gar nicht mehr vorstellen. Wenn man da überall warten müsste, wenn es auf Produkte höhere Zölle gäbe, das ist echt der Wahnsinn. Das ist für mich die größte Errungenschaft.

MH: Manche Kritiker von Pulse of Europe bemängeln, dass die Bewegung keine konkreten Ziele formuliert. Wie siehst du das?

Akil: Ich glaube, dass die Bewegung Pulse of Europe noch in den Kinderschuhen steckt. Ich glaube, dass es jetzt noch zu früh wäre, konkrete politische Forderungen aufzusetzen. Aber es gibt sehr starke Bewegungen innerhalb von Pulse of Europe, und eine Initiative namens Stand up for Europe, die sich ungefähr gleichzeitig wie Pulse of Europe gegründet hat. Die haben schon ein stärkeres politisches Programm. Ich glaube das kommt nach und nach. Jetzt ist gerade noch die Phase, in der wir Leute mobilisieren, auf die Straße zu gehen und darüber zu diskutieren. Dann, wenn wir diskutiert haben, können wir mit einem stärkeren Programm auf die Straße gehen.

Pulse of Europe Demonstration in München © Anja Meunier

MH: Was für konkrete Ziele könntest du dir da vorstellen?

Akil: Schwierig zu sagen. Ich glaube, dass es definitiv ein klares Bekenntnis dazu geben wird, dass die Grenzen für Menschen, Produkte und Dienstleistungen offen bleiben müssen. Ich glaube, dass es wahrscheinlich auch verbindliche Forderungen nach mehr sozialer Beteiligung aller Mitgliedsländer geben wird. Wer Gelder bekommt, muss auch bestimmte Werte vertreten. Eine gemeinsame menschliche Behandlung der Flüchtlingssituation zum Beispiel, und humanitäre Standards dafür. Aber man wird erst noch sehen, wie konkret man da werden kann.

MH: Hast du Vorschläge dafür, was jeder von uns in seinem Alltag tun kann, um nationalistischen Strömungen entgegen zu wirken?

Akil: Ich glaube der erste Schritt ist, dass man offen Farbe bekennt. Dass man, wenn immer man sowas hört, dagegen eintritt und sagt: Ne, also diesen Witz fand ich jetzt nicht in Ordnung. Oder dass man nachfragt und sagt: Das ist interessant, dass du das so denkst, aber warum denkst du denn so? Man muss dann auch auf Details eingehen. Was heißt es denn, wenn ich fünf Kilometer südlich der Grenze geboren bin, und ein anderer fünf Kilometer nördlich der Grenze? Ist der wirklich so viel anders als ich? Wir müssen immer wieder diese großen Ängste, die ja berechtigt sind, ansprechen, um herauszufinden, woher sie kommen. Ist wirklich jemand er jetzt gerade erst ins Land kommt, daran schuld, dass ich seit zehn Jahren keinen Job hab? Das kann nicht der Grund sein. Dann muss man aber auch etwas tun, und nicht nur den Geflüchteten helfen, sondern sich auch eingestehen, dass es auch hier schon Probleme gibt. Und die müssen wir auch bekämpfen. Da kann jeder Einzelne auf die Mitmenschen zugehen, öffentlich in Diskurs gehen und immer wieder Stellung beziehen. Im Jahr 2015, während relativ viele Flüchtlinge hierhergekommen sind, gab es eine Zeit, während der die Leute gedacht haben, sie sind mit Ihrer nationalistischen Meinung in der Mehrheit. Wenn man dann die Umfragen angeschaut hat, dann waren es tatsächlich nur um die 30%, sie waren aber viel lauter. Und das ist genau der Grund, weshalb wir Stellung beziehen müssen und auf die Straße gehen.

Autorin

Anja Meunier (Deutschland)

Studium: Mathematik und Wirtschaft

Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch

Europa hat… schöne Länder, interessante Leute, einen tollen Lebensstil. Und muss zusammenhalten.

500px: Anja Meunier

Author: Anja

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1 Kommentar

  1. Gutes Interview. Ich gehe auch regelmäßig zu den Demos in Berlin, finde es wichtig, dass Europa nicht nur als eine abstrakte bürokratische Verwaltungsmaschine wahrgenommen wird, sondern als eine Gemeinschaft, in der wir gemeinsame Werte haben und uns füreinander einsetzen.

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